Die Fotografin (2023) | Film, Trailer, Kritik (2024)

Eine Filmkritik von Nathanael Brohammer

Krieg und Zeug(inn)enschaft

Lee Miller war Fotomodel und zeitweise Muse des Avantgarde-Fotografen Man Ray. Heute fällt ihr Name aber vor allem im Kontext ihrer eigenen Errungenschaften als Kriegsfotografin im Zweiten Weltkrieg, wo sie nicht nur die Front und die Befreiung von Paris, sondern auch als eine der Ersten das unaussprechliche Grauen der Vernichtungslager Buchenwald und Dachau dokumentierte. Ellen Kuras, vormalig Kamerafrau für etliche Spiel- und Dokumentarfilme, verfilmt Millers Leben als Reißbrett-Biopic und profitiert insbesondere von ihrer unvergleichlichen Hauptdarstellerin, deren bloße Präsenz im Grunde jeden Film aufwertet: Kate Winslet.

Die Fotografin ist gleich von der ersten Szene an als große Retrospektive auf ein unangepasstes Frauenleben angelegt: Die alte Lee Miller (Winslet) sitzt einem verschmitzten Journalisten (Josh O’Connor) gegenüber. Sie ist deutlich gezeichnet von Erfahrungen, die sie ihm nach ein paar koketten Ausweichmanövern im Interview schließlich doch recht weitläufig ausbreitet.

Wir springen also, geleitet durch ihr Voiceover, zurück ins Frankreich der späten 30er-Jahre, wo Lee als Bohemien an der Côte d’Azur vagabundiert. Inmitten idyllischer Gärten in der Provence sind der Führer und die nationalsozialistischen Allmachtfantasien noch weit entfernt und nicht viel mehr als eine politische Anekdote, die mit freiem Oberkörper und Zigarette im Mund zugunsten lustvoller Augenblicke beiseite gewischt werden kann: etwa mit dem Kunsthändler Roland Penrose (Alexander Skarsgård), dem es nur wenig später tatsächlich gelingt, die ruppige, freiheitsliebende Lee ganz für sich einzunehmen und zum gemeinsamen Umzug in seine Heimatstadt London zu bewegen.

Hier beginnt auch das Kapitel in Lees Leben, das sie mittenhinein in die Kriegsschauplätze katapultiert: Während beim Blitzkrieg Bomben vom Himmel donnern und die britische Hauptstadt verwüsten, gelingt es ihr, sich eine Stelle als Fotografin bei der britischen Vogue zu ergattern. Fortan knipst sie den Alltag zwischen Krieg und Glamour unter der Fittiche von Chefredakteurin Audrey Withers (Andrea Riseborough), die Lee bei ihrer recht unkonventionellen Arbeitsweise freie Hand lässt. Es entstehen bereits einige der eindrücklichen Arbeiten, die sie postum weltberühmt werden lassen sollen.

Kate Winslets Lee ist tough und unbeeindruckt von den Fliegerangriffen der Deutschen. Doch auch ihr kerben sich alsbald die Schauer des Krieges ins abgebrühte Gesicht: Frustriert von den Beschränkungen, die ihr als weibliche Fotografin auferlegt sind, sucht sie nach einem Weg, mehr als nur „ihre Pflicht als Frau“ zu tun. Was die Briten ihr versagen, erreicht sie schließlich mithilfe ihrer amerikanischen Staatsbürgerschaft: eine Akkreditierung als Kriegsfotografin. An der Seite ihres Kollegen David E. Scherman (Andy Samberg) vom Magazine Life dringt sie mit den alliierten Truppen immer tiefer ins Kriegsgebiet vor. Sie ist an vorderster Front dabei, als Paris befreit und als München eingenommen wird. Und sie bezeugt als eine der Ersten die Verbrechen des Holocaust, die auch sie, die Unerschütterliche, bis ins Mark erschüttern…

Diese Stationen bearbeitet Die Fotografin an den bekannten Fakten entlang und stellt Lees wichtigste Fotografien, allen voran ihr ikonisches Selbstporträt in Hitlers Badewanne in dessen Münchner Wohnung, getreu nach. Ellen Kuras flankiert ihre Hauptdarstellerin zwar mit anderen Hollywoodgrößen (auch Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard tummelt sich im namhaften Cast), interessiert sich aber insbesondere für und konzentriert sich daher vor allem auf die Heldin und deren unglaubliche, aber wahre Geschichte.Diese wird mit aufrichtiger Anteilnahme erzählt, die manchmal durch aphoristische Brocken überakzentuiert wird. (Kostprobe: „Es gibt unterschiedliche Arten von Wunden – nicht nur die, die man sehen kann.“) Das große Kapital des Films ist, natürlich, Kate Winslet, die mit zuverlässiger Souveränität die hanebücheneren Dialogzeilen wegbügelt und sich für die nächste Award-Saison profiliert.

Wirklich drastische Bilder werden ausgespart. Das hier Dargestellte bleibt – im Positiven wie im Negativen – stets „zumutbar“. Und ist damit lediglich mittelschwere, durchaus noch verdauliche Kost für ein größeres Publikum, dem vor allem die feministischen Aspekte der Story gut bekommen werden. Doch ausgerechnet jetzt, wo wieder Kriege sowohl in Osteuropa als auch im Nahen Osten wüten und unzählige Menschen versehren, darf man sich die Frage stellen, ob die hochaktuellen Fragen über Zeug(inn)enschaft, die das Leben Lee Millers Fall hergibt, nicht anders hätten gestellt (oder gar beantwortet) werden können?

Nun muss natürlich nicht jeder Film über den Holocaust einen radikalen Neuzugriff bereithalten wie Jonathan Glazers Jahrhundertfilm The Zone of Interest. Und in seiner massentauglichen Gefälligkeit mag Die Fotografin ja auch gut gemeint sein. Neben der Wiederentdeckung seiner unbestreitbaren Heldinnenfigur verblasst er als (Anti-)Kriegsfilm ohne nachhaltigen Impact aber auch wieder recht schnell in der Erinnerung. Und um Letztere dürfte es hier schließlich auch gehen, nicht wahr?

Der Film erzählt die Geschichte der Fotografin Elizabeth „Lee“ Miller. Im Zweiten Weltkrieg macht sie sich einen Namen als Kriegsberichterstatterin für die Zeitschrift Vogue.

Die Fotografin (2023) | Film, Trailer, Kritik (2024)

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